In den letzten Tagen bin ich von verschiedenen kirchlichen Medien um eine Einschätzung gebeten worden, wie die mediale Berichterstattung über Bischof Tebartz-van Elst zu bewerten ist. Auch bei anderen „Äffären“ kann man übrigens sehen, dass sich zunächst eine Berichterstattung aufbaut, ungeheuer Fahrt aufnimmt und dann nach und nach eine Selbstreflexion beginnt, bei der die „Berichterstattung über die Berichterstattung“ an die Stelle der Berichterstattung tritt.
Meine medienethische Meinung ist, dass Journalisten hier a) ihren (guten) Job gemacht haben und recherchiert und informiert haben über Vorgänge, die vor der Öffentlichkeit versteckt gehalten wurden. Andererseits muss man b) sehen, dass es zu einer Überberichterstattung (der Journalismus spielte „Deutschland sucht den ärmsten Bischof“) und auch zu deutlichen Fehlleistungen gekommen ist (etwa wenn über einen krankhaften Geisteszustand des Bischofs spekuliert wird).
Eine Medienkampagne gegen die Kath. Kirche zu wittern halte ich (sofern dies von Kirchenvertretern selbst kommt) für einen schlimmen Kommunikationsfehler und bei allem was ich weiß auch für nicht berechtigt. Wenn es kriselt, sind die Medien und ihre eigenen Gesetze zu loben und zu unterstützen, wenn alles ruhig ist, gehört ethische Kritik an der Mediengesellschaft zur zeitgenossenschaftlichen Aufgabe der Kirche.
Die öffentliche medienethische Expertise findet natürlich in den Medien selbst statt und daher sind meine Äußerungen Teil des öffentlichen Diskurses. So ist es nicht überraschend, dass zu meinem KNA-Interview vom Montag (seit Dienstag, 22.10. im Angebot der KNA) die Unterzeile „Medienethiker Alexander Filipovic kritisiert die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche“ hinzugefügt worden ist (siehe etwa den Abdruck in der Mainpost vom 23.10.2013). Im Interview fallen die Sätze:
Filipovic: Das größte Problem in Deutschland ist, dass es unter den Bischöfen und Bistümern keine abgestimmte Kommunikationsstrategie gibt. Es scheint einfach nicht möglich zu sein, dass man die Kommunikation zusammenzieht. Vielleicht gibt es dafür gute Gründe, aber die Medien reagieren darauf höchst verstört, dass es keinen Ansprechpartner gibt für die katholische Kirche in Deutschland, sondern dass es 27 gibt. Daran müsste man arbeiten: an einer verstärkten, zentralen Kommunikationsstrategie und Öffentlichkeitsarbeit. Da müssen dann auch Posten geschaffen werden.
Ich bin sicher und weiß, dass in der Kirche an vielen Stellen gute, sogar hervorragende Öffentlichkeitsarbeit geleistet wird, auch im Bonner Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Ziel meiner Kritik war nicht diese Öffentlichkeitsarbeit, sondern das m.E. in der Tat vorliegende strukturelle Problem, dass Kirche von außen als ein Akteur wahrgenommen und angefragt wird, intern aber 27 Bistümer mit ihren Bischöfen selbständig agieren. So wird ein Limburger (und mit den kath. Krankenhäusern damals Kölner) „Problem“ zwangsläufig zu einem (extremen) Problem der gesamten deutschen katholischen Kirche, auf das aber nicht als solches reagiert werden kann (weil etwa die Presseabteilung der DBK nichts zu Limburg sagen kann).
Deshalb plädiere ich für Strukturveränderungen, die sich nur im Zuge einer Zusammenarbeit der Bischöfe realisieren ließen. Etwa wäre die Absprache denkbar, dass bei der DBK eine Abteilung für Krisenkommunikation geschaffen würde, die die Arbeit dann im Fall vor Ort übernimmt. Freilich würde das bedeuten, dass diese Leute dann nicht (nur) dem jeweiligen Ortsbischof verpflichtet wären, sondern einem gemeinsamen Interesse der Kath. Kirche in Deutschland. Ob und wie das allerdings realisiert und in Strukturen verfestigt werden könnte – da bin ich recht ratlos und gar skeptisch.