Freundschaft im Web 2.0

Verändert sich unser Begriff von Freundschaft im Neuen Netz? Am 12.06.2010 bin ich zu einem Vortrag und der Leitung einer Gesprächsrunde zum Thema “Freundschaft im Web 2.0″ in die Kath. Akademie München eingeladen. Bei der Tagung geht es um “Freundschaft – Band fürs Leben. Aktualität einer besonderen Beziehung“. Es verspricht ein interessantes Programm zu werden, bisher ist aber noch nichts veröffentlicht worden (ich habe nur einen Entwurf gesehen).

Nun zeichnet Freundschaft sich ja durch Ortlosigkeit aus: Wir haben eine Intuition, was das ist und das es etwas Gutes ist, aber das Bezeichnete lässt sich schwer fassen (vgl. die Studie von Silvia Bovenschen „Die Bewegungen der Freundschaft“) und verflüssigt sich im Moment des (theoretischen) Zugriffs. Bei Luhmann kann man lernen, dass es um einen sozialen Begriff von Zusammengehörigkeit ging und in diesem Sinne „Freundschaft“ eine doppelte Zielrichtung der Integration persönlicher wie auch sozialer Beziehungen hatte (hatte! – alles alteuropäische Semantik).Vgl. dazu die interessante Studie: Kersten, Catrin (2008): Orte der Freundschaft. Berlin: Kulturverl. Kadmos (Kaleidogramme, 22)

In der modernen differenzierten Gesellschaft verliert Freundschaft in mindestens sozialer Hinsicht sein integrierendes Moment, ohne aber dabei das soziale Moment überhaupt einzubüßen. Nähe, auch körperliche Nähe (auch Männer umarmen ja ihre Freunde und klopfen sich zum Zeichen, dass die Umarmung abzubrechen ist, einander kräftig auf die Schulter…), Beziehung, die Tendenz, Sachverhalte und Probleme persönlich zu verhandeln, die Akzeptanz einer bestimmten Verpflichtung im Rahmen einer Freundschaft usw. prägen nicht mehr die Ordnung der Gesellschaft, bleiben aber natürlich persönlich relevant und beruhen natürlich auf sozialen Konventionen, Traditionen, Geschichten und Überlieferungen.

Ob das alles auch im Neuen Netz gilt? Ich vermute schon. Die Erwartungen an Freundschaften werden sich zwar verändern (wie sie es schon immer getan haben), aber die Netzartigkeit der Freundschaft wird zunächst nichts daran ändern, dass es sich immer noch um Freundschaften handelt.

Aber das sind nur erste Überlegungen. Ich habe zwei Texte, die mir weiterhelfen. Vielleicht hat der ein oder andere ja noch einen Hinweis:

  • Schmidt, Jan-Hinrik; Hasebrink, Uwe; Paus-Hasebrink, Ingrid (Hg.) (2009): Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Berlin: Vistas-Verl. (Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, 62), S. 268-277.
  • Schmidt, Jan-Hinrik (2009): Die Kinder von XING und ICQ. In: neue gespräche, H. 6, S. 14–17.

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2 comments

  1. Thies Böttcher sagt:

    Ich hätte da noch 2 Lesehinweise (Essays) zum Thema:

    1. William Deresiewicz (2009) „Faux Friendship“ http://chronicle.com/article/Faux-Friendship/49308/

    2. Jörn Lamla und Thies W. Böttcher (2009) „Lasst uns doch alle Freunde sein! Zur Inflation sozialer Kontakt- und Beziehungsarbeit im Netz.“ http://www.goethe.de/wis/bib/prj/hmb/the/ami/de4899615.htm

    Viel Erfolg für den Vortrag und sorry für die Selbstreferenz 😉

  2. Alexander Filipović sagt:

    Vielen herzlichen Dank für die Hinweise. Insofern: Selbstreferenz ist hier für einen Anderen sehr nützlich.
    Übrigens habe ich gerade diese Reflexion über die „Mär der Beziehungsinflation“ entdeckt: http://www.zweipunktnull.org/blog/2010/05/03/die-maer-von-der-beziehungsinflation/