Ethik und Public Relations

Anmerkung: Wenn Sie die Magisterarbeit zum Thema „Ethik und Public Relations“ als *.pdf-Datei einsehen möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail an mich. Gerne sende ich Ihnen die Datei zu.

Folgender Text ist die Einleitung meiner Magisterarbeit:
Filipovic, Alexander: Ethik und Public Relations. Anfragen und Perspektiven einer Christlichen Sozialethik. Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Lehrstuhl Christliche Soziallehre und Allgemeine Religionssoziologie, Magisterarbeit 2000. Als Manuskript gedruckt. S. 4-7.

Einleitung

Das Lexikon für Theologie und Kirche, in der zweiten Auflage im Jahr 1962 erschienen, notiert unter dem Stichwort „Medien“ folgenden Eintrag:

„Medien, gebirgiges Hochland südwestl. des Kaspischen Meeres, zw. Zagrosgebirge, Elam u. Parthien, ausgezeichnetes Weideland. Um 1000vC. wanderten die arischen Meder ein […]. Von ihrer Sprache ist uns nur wenig überliefert. […]“[1]

36 Jahre später hat sich das Wissen der Kirche über „Medien“ verändert. In der dritten Auflage des Lexikons, dessen siebter Band 1998 erschienen ist, liest man nichts mehr über Gebirge und Weideland. Ausführlich werden dort die Medien als Massenkommunikationsmittel unter allgemeinen, politischen, theologisch-ethischen und theologisch-praktischen Aspekten gründlich behandelt.[2] In diesen 36 Jahren hat sich also einiges geändert. Spätestens mit der Pastoralinstruktion Communio et progressio über die Instrumente der sozialen Kommunikation[3] wurde die kirchliche, immer mehr auch theologisch-wissenschaftliche Diskussion über die Phänomene der öffentlichen Kommunikation angestoßen.

In den letzten Jahren wird die Medienethik auch von der christlichen Ethik aufgegriffen. Die Medien sind aufs engste mit modernen Gesellschaften verbunden und verwoben. Durch ihre Struktur und Bedeutung sind sie ethikbedürftig: In Analogie zu einer politischen Ethik oder Wirtschaftsethik entstand und besteht eine sozialethische Auseinandersetzung mit dem Kultursachbereich Medien.

Durch die Ausdifferenzierung des Bereichs der Massenmedien entwickelten sich zusätzlich zum Journalismus (Presse und Rundfunk) ähnliche Formen öffentlicher Kommunikation, namentlich Werbung oder Public Relations.[4] Werden mittlerweile Massenkommunikation, Medien allgemein, Film, Unterhaltung, Journalismus und Werbung in der Christlichen Sozialethik zum Thema gemacht,[5] so wird Public Relations nicht, oder doch nur am Rande berücksichtigt. Dies soll hier zum Anlass genommen werden, Public Relations in den Mittelpunkt einer theologisch-sozialethischen Arbeit zu stellen. Anfragen und Perspektiven einer Christlichen Sozialethik sollen in das Thema eingebracht werden.

Handelt es sich hierbei um eine Arbeit im Bereich der Wirtschaftsethik? So könnte man fragen, denn Public Relations wird im Alltagsverständnis auf Aktivitäten der Wirtschaft bezogen. Der Begriff ruft Assoziationen mit Marketing und Sponsoring hervor. Diesem Verständnis nach geht es bei Public Relations ausschließlich um Umsatz, Gewinn und Rendite. Dabei wird übersehen, dass Public Relations im politischen Bereich[6], im sozial-caritativen[7], im wissenschaftlichen Bereich[8] und in vielen anderen Bereichen „eine zumindest gleichrangige, wenn nicht sogar vorrangige Rolle spielt“[9]. Hatte denn das Referat Öffentlichkeitsarbeit des Bundesumweltministeriums (BMU) Umsatz, Gewinn und Rendite im Sinn, als es der PR-Agentur ABC/Eurocom Corporate & PR (Düsseldorf) den Auftrag erteilte, die deutsche Öffentlichkeit über Ziele, Themen und Ergebnisse der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro (Umweltgipfel) zu informieren?[10] Sicher nicht. Es handelt sich also um ein unzulässiges Verständnis, wenn Public Relations in dieser Art und Weise reduziert wird.[11] Sogar für die Katholische Kirche scheint Public Relations eine unverzichtbare ‚Sache‘ zu sein:

„Auch ist sehr anzuraten, daß die Diözesen und die größeren katholischen Organisationen ihren festen und ständigen Sprecher haben […]. Diese Beauftragten und alle, die sonst noch die Kirche in der Öffentlichkeit vertreten, müssen die Regeln und Techniken der sogenannten „Public Relations“ gründlich beherrschen. Sie sollen die verschiedenen Strömungen im Publikum, das sie ansprechen, gut kennen und auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und Verstehens fruchtbare Beziehungen zur Öffentlichkeit pflegen. Solche Beziehungen können sich nur dann entwickeln und von Dauer sein, wenn man einander als Mensch achtet und sich stets der Wahrheit verpflichtet weiß.“[12]

Mit der Vorentscheidung, an dieser Stelle nicht nur die Public Relations der Wirtschaftsunternehmen sozialethisch anzufragen, muss sich das Blickfeld weiten. Was ist das Gemeinsame der Public Relations vom Bundesumweltministerium, der Katholischen Kirche und der BASF AG? Es soll sehr grundlegend angesetzt werden. Nicht eine schlichte Aufgabenbehauptung von Public Relations, nicht eine aus dem Augenblick heraus festgelegte Wesensbestimmung und nicht ein für ‚schlecht‘ befundener konkreter PR-Fall soll als Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen dienen. Um aus christlich-sozialethischer Perspektive fachkundig über Public Relations sprechen zu können, soll vielmehr auf Ergebnisse der Kommunikationswissenschaft zurückgegriffen werden, die Public Relations als einen modernen Typus öffentlicher Kommunikation begreift. Ein interdisziplinärer Ansatz liegt also den Überlegungen zu Grunde. Dies stellt besondere Anforderungen an die Standortbestimmung und den Aufbau der Arbeit.

Die Standortbestimmung (Kap. 2), durch die der Zugang zum Thema deutlich werden soll, gliedert sich in zwei Teile. Die Christliche Sozialethik als theologische Wissenschaft ist der feste Ausgangspunkt, von dem aus das Thema angegangen wird und ist insofern grundlegend. Daher wird die Darstellung dieser Wissenschaft relativ gründlich vorgenommen (Kap. 2.1). Erst danach können der christlich-sozialethische Zugang zu Public Relations spezifiziert, das Erkenntnisinteresse der Arbeit festgelegt und die Vorgehensweise begründet werden (Kap. 2.2). In einem nächsten Schritt soll anhand des kommunikationswissenschaftlichen Forschungsstands das soziale Handlungsfeld Public Relations identifiziert werden (Kap. 3). Wiederum aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht sollen Normierungen für Public Relations herausgearbeitet werden (Kap. 4). Diese gegebenen Normierungen stehen dann (Kap. 5) auf dem christlich-sozialethischen Prüfstand. Ziel ist es dabei, eine christlich-sozialethisch fundierte Problemanzeige zu liefern. Diese Problemdarstellung hinsichtlich „Ethik und Public Relations“ ist das Erkenntnisinteresse der Arbeit und soll in einem abschließenden Kapitel zusammengefasst werden (Kap. 5.3). Dieses Resümee verweist auf die Möglichkeiten und Bedingungen einer christlichen Public Relations-Ethik und stellt die grundlegenden Anfragen und Perspektiven einer Christlichen Sozialethik an die Konstellation „Ethik und Public Relations“ dar.

Es kann nicht auf bereits publizierte christlich-sozialethische Erkenntnisse hinsichtlich Public Relations zurückgegriffen werden. Es handelt sich zumindest in dieser Perspektive um unbekanntes Terrain. Bescheidenheit in der Hoffnung auf ‚gute Ergebnisse‘ ist somit angebracht. Diese Arbeit versucht eine Annäherung an Public Relations, die den Schritt zur Konkretion vorbereiten kann und die Christliche Sozialethik mit Public Relations bekannt machen will.

————————————————————–

[1] Vgl. Höfer, Josef; Rahner, Karl (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 2., völlig neu bearb. Aufl. 7. Bd. Freiburg i. Br. (Herder) 1962. S. 232.
[2] Vgl. Kasper, Walter u. a. (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3., völlig neu bearb. Aufl. 7. Bd. Freiburg i. Br. u. a. (Herder) 1998. S. 35-44.
[3] Vgl. Communio et progressio 1971.
[4] Public Relations (PR) wird im deutschen Sprachgebrauch oftmals übersetzt mit Öffentlichkeitsarbeit. Eine synonyme Verwendung von Public Relations/Öffentlichkeitsarbeit hat sich mittlerweile etabliert. Dennoch wird im Folgenden der englischsprachige Bergriff gewählt, weil er mehr umfasst und das Phänomen Public Relations (als öffentliche Beziehungen) nicht auf eine Arbeit an der Öffentlichkeit reduziert.
[5] Vgl. z. B. Hausmanninger 1992 (Film, Unterhaltung), Bohrmann 1997 (Werbung, Fernsehen, Film), Karmasin 1999 (in ökonomischer Perspektive auf Medien), Kos 1997 (Massenkommunikation), Veith 1999 (Journalismus), Boventer 1984 (Journalisten).
[6] Vgl. dazu z. B. im theoretischen Zugriff Ronneberger 1989. Zu konkreten politischen PR-Kampagnen vgl. z. B. Görres 1997 und Seipel 1997.
[7] Vgl. z. B. Rühl/Dernbach 1996 und Weyandt 1997. Im ökologischen Zusammenhang vgl. Dernbach 1998 (S. 184-191) und Koch 1997.
[8] Vgl. beispielsweise die Beiträge des Sammelbandes Russ-Mohl (Hrsg.) 1990.
[9] Ronneberger 1989, S. 149.
[10] Die Agentur wurde für die Kampagne von der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) mit der „Goldenen Brücke 1993“ ausgezeichnet. Honoriert wurde gerade die vorbildliche Anwendung des gesamten Spektrums der PR-Instrumente im Kommunikationsmix (vgl. zu der Kampagne Ruediger/Schwarz 1994).
[11] Eine illegitime reduktionistische Vorstellung von Public Relations wäre es auch, PR-Aktivitäten von Wirtschaftsunternehmen bei der Betrachtung von Public Relations völlig auszublenden.
[12] Communio et progressio 1971, Nr. 174.

=======================

Literatur:

Communio et progressio 1971
Päpstliche Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation: Pastoralinstruktion COMMU-NIO ET PROGRESSIO über die Instrumente der sozialen Kommunikation (1971). Veröffentlicht im Auftrag des II. Vatikanischen Konzils. Von den deutschen Bischöfen approbierte Übersetzung. Trier (Paulinus-Verlag) 1980.
Bohrmann 1997
Bohrmann, Thomas: Ethik – Werbung – Mediengewalt. Werbung im Umfeld von Gewalt im Fernsehen. Eine sozialethische Programmatik. München (R. Fischer) 1997.
Hausmanninger 1992
Hausmanninger, Thomas: Kritik der medienethischen Vernunft. Die ethische Diskussion über den Film in Deutschland im 20. Jahrhundert. München (Fink) 1992.
Boventer 1984
Boventer, Hermann: Ethik und System im Journalismus. Der Handlungsbedarf moderner Mediensysteme. Kritische Anmerkungen zu einem Aufsatz von Manfred Rühl und Ulrich Saxer. In: Publizistik, 29. Jg. (1984), S. 34-48.
Dernbach 1998
Dernbach, Beatrice: Public Relations für Abfall. Ökologie als Thema öffentlicher Kommunikation. Opladen (Westdeutscher Verlag) 1998. (= Studien zur Kommunikationswissenschaft. 35)
Görres 1997
Görres, Tilman: Öffentlichkeitsarbeit für Demokratie. Kampagne zur Bürgerschaftswahl der Freien und Hansestadt Hamburg. Aus: Röttger, Ulrike (Hrsg.): PR-Kampagnen. Über die Inzenierung von Öffentlichkeit. Opladen (Westdeutscher Verlag) 1997. S. 207-213.
Karmasin 1999
Karmasin, Matthias: Medien. Aus: Korff, Wilhelm u. a. (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Band 1-4 / hrsg. im Auftr. der Görres-Gesellschaft. Bd. 4. Ausgwählte Handlungsfelder. Gütersloh (Gütersloher Verlagshaus) 1999. S. 351-381.
Koch 1997
Koch, Svenja: Greenpeace: Umweltkampagnen mit Herz und Verstand. Aus: Röttger, Ulrike (Hrsg.): PR-Kampagnen. Über die Inzenierung von Öffentlichkeit. Opladen (Westdeutscher Verlag) 1997. S. 265-270.
Kos 1997
Kos, Elmar: Verständigung oder Vermittlung? Die kommunikative Ambivalenz als Zugangsweg einer theologischen Medienethik. Frankfurt a. M. (Peter Lang) 1997. (= Forum interdisziplinäre Ethik.)
Ronneberger 1989
Ronneberger, Franz: Die Rolle von Public Relations im politischen Entscheidungsprozeß. Aus: Böckelmann, Frank E. (Hrsg.): Medienmacht und Politik. Mediatisierte Politik und politischer Wertewandel. Berlin (Spiess) 1989. (=AFM-Studien. 30) S. 149-160.
Ruediger, Schwarz 1994
Ruediger, Dorothea von; Schwarz, Stefan: Die Kommunikationskampagne zur UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992. In: PR-Magazin, Jg. 1994, H. 3, S. 29-32.
Rühl, Dernbach 1996
Rühl, Manfred; Dernbach, Beatrice: Public Relations – soziale Randständigkeit – organisatorisches Helfen. In: PR-Magazin, Jg. 1996, H. 11, S. 43-50.
Ruß-Mohl (Hrsg.) 1990
Ruß-Mohl, S. (Hrsg.): Wissenschaftsjournalismus und Öffentlichkeitsarbeit. Tagungsbericht zum 3. Colloquium Wissenschaftsjournalismus vom 4./5. November 1988 in Berlin. Gerlingen (Bleicher) 1990. (= Materialien und Berichte/Robert Bosch Stiftung. 32)
Seipel 1997
Seipel, Michael: „Mehr Demokratie in Bayern“. Die Kampagne zum Volksbegehren. Aus: Röttger, Ulrike (Hrsg.): PR-Kampagnen. Über die Inzenierung von Öffentlichkeit. Opladen (Westdeutscher Verlag) 1997. S. 223-231.
Veith 1999
Veith, Werner: Ethik im System Journalismus. Die Konzeption des Journalismus bei Manfred Rühl und eine Kritik aus sozialethischer Perspektive. In: Theologie der Gegenwart, 42. Jg. (1999), H. 1, S. 15-25.
Weyandt 1997
Weyandt, Katharina: Das Hamburger Spendenparlament. Bühne für soziale Projekte. Aus: Röttger, Ulrike (Hrsg.): PR-Kampagnen. Über die Inzenierung von Öffentlichkeit. Opladen (Westdeutscher Verlag) 1997. S. 271-281.

Kommentar verfassen

5 comments

  1. Kristin Allwinger sagt:

    Im Rahmen meines Masterstudiums an der Donau-Universität in Krems (Österreich) beschäftige ich mich mit dem Thema PR im Spannungsfeld zwischen Ethik und Unternehmensinteressen im Pharmabereich. Ihre Diplomarbeit würde ich daher sehr interessieren.
    Danke & Herzliche Grüße aus Wien
    Kristin Allwinger

  2. Alexander Filipović sagt:

    Liebe Frau Allwinger,

    danke für Ihr Interesse. Ich schicke Ihnen die Arbeit zu. Lassen Sie mal was von sich hören, wenn Sie zum Thema Material erstellt haben.

    Herzl. Grüße

    Alexander Filipovic

  3. Andreas Thaler sagt:

    Könnten Sie mir bitte die Arbeit zuschicken. Ich sollte mit meinem Kollegen einen Vortrag über Ethik in der Werbung machen, als Vorbereitung zur Uni-Prüfung. Ich studiere Kommunikationswissenschaften. Vielen Dank Thaler Andreas

  4. Miriam Lankhuijzen sagt:

    Guten Tag H. Dr. Filipovic,

    im Rahmen meines dualen Studiums „Messe-, Kongress-, und Eventmanagement“ muss ich eine 10-seitige Hausarbeit zum Thema Ethik der PR schreiben. Zur Einführung in das Thema würde ich gerne Ihre Magisterarbeit durchlesen. Wenn Sie nichts dagegenhaben würde ich Sie bitten mir diese per Mail zu zusenden.

    Freundliche Grüße
    Miriam Lankhuijzen

  5. Michael Kasiske sagt:

    Sehr geehrter Herr Filopovic!
    Ich bin Pressereferent beim Erzbistum Köln und studierte nebenbei PR. Daher bin ich für meine Masterthesis in diesem Studium sehr an Ihrer Arbeit interessiert. Noch bin ich auf der Suche nach einem Thema.

    Vielen Dank!

    Michael Kasiske